© Chris Gonz

Plauen: Die Fabrik der Fäden und Plauener Spitze

© Chris Gonz
Die "Fabrik der Fäden" im historischen Weisbachschen Haus erzählt davon, wie die Plauener Spitze weltberühmt wurde

Eine kleine Kattundruckerei am Plauener Mühlgraben machte den Anfang: Unterstützt vom sächsischen Kurfürsten, ließ eine Investorengruppe den früheren Schlachthof anno 1755 zur Stoffdruckerei umbauen. Die hohe Qualität der Stoffe brachte rasch geschäftlichen Erfolg, sodass die vogtländischen Unternehmer ihr Geschäft bald ausbauen konnten. Das Areal am Mühlgraben wuchs über die kommenden Jahrzehnte immer weiter, später beherbergte es neben Wohnungen auch eine Färberei, eine Zwirnerei und eine Spinnerei. Mit der Aufstellung zweier Stickmaschinen im Jahr 1857 wurde das „Weisbachsche Haus“ gar zum Ursprungsort der mechanischen Stickindustrie in Deutschland. Solche Entwicklungen führten bald zu einer Blüte des Maschinenbaus in der Region, etwa zur Gründung der Vogtländischen Maschinenfabrik AG (VOMAG) in Plauen.

Wo also wäre der perfekte Ort für ein Museum zur Geschichte der Textilindustrie in Plauen, wenn nicht hier?

Modernes Ambiente trifft Geschichte

Seit November 2023 ist dieses Museum am historischen Ort Realität. Die „Fabrik der Fäden“ will zeigen, wie die Industrie eine ganze Region verändert und geprägt hat. Plauens sagenhafter Boom zur „Spitzenstadt“ dank der maschinellen Spitzenfertigung ist dabei sicher die bedeutendste Epoche.

Die „Fabrik der Fäden“ empfängt ihre Besucher in einem lichten Neubau, der den großen Innenhof des Weisbachschen Hauses umschließt.

Hier startet ein abwechslungsreicher Exkurs durch mehrere Jahrhunderte der Textilgeschichte im Vogtland. Die Historie des Bauwerks wird dabei ebenso beleuchtet wie der Aufschwung des regionalen Maschinenbaus in der Industrialisierung oder der Einfluss der Pariser Mode auf das Vogtland. Die Entdeckungsreise führt abwechselnd durch neue und alte Gebäudeteile. Sie beginnt mit knöchernen Nadeln aus der Steinzeit und öffnet mit Prototypen „intelligenter“ Textilien den Blick auf die Zukunft. Und zwischendrin: jede Menge Geschichten von Menschen und Maschinen, von Schönheit, Mode und Ideenreichtum. Davon zeugen Geräte, die Knopflöcher fabrizieren oder hunderte Garnfäden in die winzigen Nadelöhre der Maschinensticknadeln einfädeln. Gewaltige Punch-Maschinen demonstrieren, wie komplexe Mechanik die Vorlagen für tausendfache feinste Motive der Maschinenstickerei liefert. Historische Bilder und Filmaufnahmen illustrieren neben eindrucksvollen Exponaten, wie die Textilproduktion das Leben der Menschen prägte – in Fabriken, Manufakturen und Heimarbeitsstuben.

© Martin Reißmann
Weisbachsches Haus Plauen – eines der ältesten Manufakturgebäude Sachsens

Einmal „Boom“ und zurück

Besonders spannend zeichnet die Schau jene Zeiten nach, in denen sich „Plauen Lace“ zum weltweit gefragten Exportschlager entwickelte. Um die Wende zum 20. Jahrhundert platzte die Stadt aus allen Nähten, die Einwohnerzahlen verdoppelte sich in wenigen Jahren auf mehr als 100.000. Die neue Maschinenfertigung hatte die edle Spitze erschwinglich gemacht, die bis dato dem Adel vorbehalten war. Daneben wurden viele weitere Bereiche der Textilproduktion industrialisiert – und damit auch „demokratisiert“. Ein selbstbewusstes Bürgertum konnte und wollte sich nun nach der aktuellen Mode kleiden – eine Boomzeit für das Vogtland begann. Das legendäre „Ghost Dress“ lässt den Zauber und die Eleganz jener Zeit erahnen. Auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 zog das weiße Kleid viele Blicke auf sich, und die Plauener Spitzenfabrikanten konnten sich bald über steigende Nachfrage aus Nord- und Südamerika freuen.

Jenseits des Laufstegs erfreuten sich Textilien aus dem Vogtland ebenfalls wachsender Beliebtheit. Alltägliche Webwaren oder Gardinen sorgten dank sinkender Preise für erhöhte Nachfrage auch in Deutschland. Produkte wie Tischdecken und andere Haustextilien halfen mit, den Einbruch der Weltwirtschaftskrise zumindest etwas abzumildern. Aufwendige Modespitzen waren jedoch kaum mehr gefragt. Die Baumwollversorgung geriet ins Stocken, und einst bedeutende Absatzmärkte fielen aus.

Die „Fabrik der Fäden“ zeigt auch, wie moderne Kunstfasern und Heimtextilien den Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg prägten, begleitet von der Verstaatlichung vieler Textilbetriebe im Vogtland. Deren zwischenzeitliche Erfolge fanden in den Jahren nach dem Mauerfall rasch ein Ende.

Fans feiner Spitzen können bis heute in der Region Produkte der geschützten Marke „Plauener Spitze®“ kaufen. Während die Branche ihre Bedeutung für die Mode verloren hat, findet das Know-how aus der Region heute seine Zukunft in der Herstellung „technischer Textilien“, die beispielsweise in der Automobilindustrie gefragt sind. So findet der Rundgang im Museum durchaus ein versöhnliches Ende. Einzig das Stampfen der gewaltigen Stickmaschinen fehlt in der „Fabrik der Fäden“. Doch dafür hat Plauen ja seine Schaustickerei im Süden der Stadt.

Link zum Museum "Fabrik der Fäden"

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